Vor dem Kompost gerettet
Ihr esst Radieschen, Rettich und Kohlrabi? Das ist super. Und dann werft Ihr die Blätter, die an den Knollen hängen, in die Biotonne? Das ist… schade. Denn wenn Ihr das Zeug esst, werdet Ihr nicht nur Teil einer Bewegung – Ihr erschließt Euch auch neue Geschmackswelten. Wir haben hier die Rezepte dafür!
Eigentlich war es nur ein Interview. Die Schweizer Journalistin Esther Kern hatte sich mit dem englischen Spitzenkoch Fergus Henderson getroffen, um mit ihm über seine Nose-to-Tail-Bewegung zu sprechen. Die basiert auf folgendem Gedanken: Wenn ein Tier schon zum Verzehr getötet werden muss – sollte man dann nicht wenigstens alle Teile von ihm verarbeiten? Kern, nebenbei auch noch Foodbloggerin und, Sachen gibt’s, Gemüsescout, war von der Idee, dass eigentlich alles essbar ist fasziniert. Und dachte bei sich, dass das ja nicht für Tiere gilt – sondern mindestens genauso für Pflanzen.
2014 hat Kern also das Projekt „Leaf to Root“ ins Leben gerufen. Sie sammelt Rezepte und Zubereitungen für Gemüseteile wie Möhrenkraut, Rettichblätter und Wassermelonenschalen, die normalerweise auf dem Kompost landen. Und hat ein Buch darüber veröffentlich, das mehr als nur ein Kochbuch ist, sondern das Manifest gegen die Wegwerfgesellschaft und für das Essen-neu-denken. „Im Garten muss Vieles neu gelernt, alte Gewohnheiten müssten überdacht werden, sagt Esther Kern. Zum Beispiel haben wir uns bei Gemüse an milden Geschmack gewöhnt. Blätter, Strunk, Schale und Wurzeln enthalten oft Bitternoten, die wir nicht mehr kennen, weil sie aus vielen Sorten herausgezüchtet wurden. „Und es gibt kulturelle Unterschiede: Hierzulande landet die Wassermelonenschale im Biomüll, in Südkorea kommt sie ins Kimchi, in Katalonien wird daraus Konfitüre, in den USA Chutney, sagt die Schweizerin.“

Kern findet, dass man echt was verpasst, wenn man die Gemüseblätter links liegen lässt. Karottenkraut zum Beispiel schmecke schon nach Karotte, hätte aber auch die leichte Schärfe von Koriander und die Muskatnote von krauser Petersilie. In Papayakernen stecken Senföle, in Fenchelkraut weit mehr Anisaromen als in der Knolle.
Wie das so schmeckt? Probiert es aus! Die ersten beiden Rezepte stammen von Esther Kerns Website leaf-to-root.com, das Karotten-Grün-Pesto ist unsere eigene Kreation.
Radieschen mit Butter / Radieschensalat von Fergus Henderson
Ihr braucht:
Mehrere Bund Radieschen, mit gesundem Grün, vorsichtig in kaltem Wasser gewaschen und trocken geschwenkt
Grobes Meersalz
Gute Butter
Vinaigrette:
2 Knoblauchzehen
1 EL Dijonsenf
1 Messerspitze Meersalz und schwarzer Pfeffer
Saft von einer Zitrone
2 TL Weißweinessig
2 dl Olivenöl
Den Knoblauch sehr fein pressen (das ist wichtig, denn es sollen keine Knoblauchstückchen im Dressing sein), Senf, Salz und Pfeffer, Zitronensaft und Essig hinzufügen und während des Verrührens langsam das Öl zugeben, damit eine Emulsion entsteht.
Wenn das gesamte Öl hinzugefügt wurde, abschmecken und nach Belieben noch mit Salz und Pfeffer oder mit Zitronensaft und Essig verfeinern.
Die unversehrten Radieschen auf einem Teller stapeln und eine Schale mit grobem Meersalz sowie die gute Butter dazustellen.
Zum Essen ein Stückchen Butter mit dem Messer auf ein Radieschen streichen, etwas Salz draufstreuen und hineinbeißen.
Zum Ablegen der Blätter eine Schüssel bereithalten, und wenn alle gegessen sind, das Grün mit der Vinaigrette begießen, durchmischen und diesen wunderbar pfeffrigen Salat genießen.
Salat mit Wassermelonenschale nach chinesischer Art
Ein Rezept von Xu Long, Peking (Esther Kern hat dem chinesischen Staatskoch über die Schulter geschaut.)
Ihr braucht:
500 g Wassermelonenschale (oder so viel, wie man hat)
1 TL Salz
1 TL Chiliflocken, scharf
2 EL Öl (hoch erhitzbar, beispielsweise Erdnussöl)
4 EL Reisessig
2 TL Zucker
2 EL Sesamöl Pfeffer
Salz
Die Wassermelonenschale schälen, sprich, die dunkelgrüne äussere Haut mit dem Sparschäler ablösen. Die hellgrüne Rinde (es darf etwas rotes Fleisch dran haben) in feine Scheiben raffeln. Mit 1 TL Salz marinieren und 1 bis 2 Stunden ziehen lassen.
Die Chiliflocken mit dem hoch er- hitzbaren Öl in eine Pfanne geben. Heiss werden lassen, bis es duftet (rund 3 Minuten). Absieben und aus- kühlen lassen.
Die Wassermelonenschale – bei- spielsweise mit Hilfe eines Siebs – gut ausdrücken. Den Reisessig mit dem Zucker vermischen, dann gut mit dem Sesamöl vermengen. Zu den Schalen geben und mischen.
Mit frischem Pfeffer würzen und nach Bedarf noch etwas nachsalzen. In einer Schüssel anrichten und mit dem Chiliöl beträufeln.
Verwendet man Zitronensaft und Essig zusammen, scheinen die beiden sich gegenseitig auszubalancieren. Eine allzu bittere Saftnote wird durch den Essig vermieden, und der Saft wiederum zügelt den Essig. Die Begegnung verläuft ähnlich magisch wie die zwischen Whisky und Zitronensaft in einem Whisky Sour, wo sich beide Zutaten in etwas völlig Neues verwandeln. Die Vinaigrette hält sich wunderbar im Kühlschrank.
Karottengrün-Pesto
Ihr braucht:
das grüne Kraut von einem Bund Bio-Karotten
1 Handvoll geschälte Haselnüsse oder Mandeln
100g Parmesan
2 Knoblauchzehen
1 TL Salz
Pfeffer
Kaltgepresstes Öl z.B. Sonnenblume, Raps, Haselnuss
Saft einer halben Zitrone
Um die braune Haut Nüsse oder Mandeln zu entfernen, die das Pesto bitter machen können, diese bei 180 Grad Celsius für 10 Minuten im Backofen rösten, dann sofort in ein Küchentuch einschlagen und fest aneinander reiben. Alle Zutaten, bis auf den Parmesan, pürieren. Zum Schluss den geriebenen Parmesan unterrühren.