Winter und Corona: Das ist eine nicht gerade günstige Kombination für unser Seelenheil. Doch für unsere innere Verfasstheit ist ein Kraut gewachsen. Ein sehr hübsches sogar
Beginnen wir diesen Text mit einem herzlichen Glückwunsch. Der gilt der Lavendula angustifolia, die vom „interdisziplinären Studienkreis Entwicklungsgeschichte der Arzneipflanzenkunde“ zur „Heilpflanze des Jahres 2020“ gekürt wurde. Tolle Sache, das! Aber auf der anderen Seite eigentlich ein uralter Hut. Denn schon die ollen Perser, Griechen, Römer – sie alle konnten mit Lavendel eine Menge anfangen, als Medizin, als Beruhigungsmittel, zur Pflege. Benediktinermönche verschleppten die mediterrane Bergpflanze über die Alpen, wo sie vor bummelig 800 Jahren sogleich die legendäre Hildegard von Bingen entzückte. Eine „Muttergottespflanze“ sei das lila Gewächs, die, so ihre persönliche Erfahrung, „Körper und Seele rein wusch, böse Geister und unreine Gedanken vertrieb, das Ich stärkte und ein bittrer Trank für die Leber war“. Ihr Kollege Paracelsus empfahl Lavendel ungefähr 300 Jahre später als Seuchenschutz. Und der englische Volksdichter William Blake fand um 1800 herum angemessen blumige Worte für das Wunderding: „Wenn aus so winzigen Blüten solch ein Duft entströmt, ist das, als ob die Ewigkeit ihre unvergänglichen Tore öffnet“.
Der Name dieser Pflanze hat seinen Ursprung im Lateinischen, „lavare“ bedeutet so viel wie „waschen“. Und das ist so wohl äußerlich wie innerlich zu verstehen. Das Lavendelöl zum Beispiel ist das einzige ätherische Öl, das man auf die Haut auftragen kann und dort desinfiziert, keimhemmend wirkt, Wunden narbenfrei schließt und Verbrennungen beruhigt. Vor allem aber ist der Lavendel, und wir zitieren an dieser Stelle gern den Heilpflanzenguru Roger Kalbermatten, „die große Seelenpflanze“. Mit anderen Worten: Sie reinigt auch und vor allem innen.

Wie das funktioniert? Na ja: zunächst einmal über die Nase. Wer drei bis vier Stunden vor dem Schlafengehen ein paar Tropfen Lavendelöl auf sein Kopfkissen träufelt, führt dessen ätherischen Öle über das Limbische System direkt dem zentralen Nervensystem zu. Und stärkt von dort die Nerven. Löst Schlafprobleme, hilft bei nervösen Magen-Darm-Erkrankungen, bekämpft innere Unruhe. Probanden berichteten von einem erholsameren Schlaf, ja, selbst Schnarchen soll der Lavendel auf diese Weise reduzieren.
Aber auch als Tee untermauert die Heilpflanze des Jahres ihren Titel eindrucksvoll. Einfach einen Teelöffel frische oder getrocknete Blüten mit einem Liter kochendem Wasser übergießen und fünf Minuten ziehen lassen – und schon hat man einen Trunk mit den erstaunlichsten Wirkungen. Kopfschmerzen lassen nach, die Verdauung wird gefördert, Verkrampfungen lösen sich, die Labiatengerbstoffe des Lavendel regen die Galleflüssigkeit an. Hat man Husten, kann man mit Lavendeltee gurgeln, das tötet Bakterien und Viren ab. Und klar: die Stimmung hellt sich sowieso auf.
Das ging nicht nur Hildegard von Bingen so. Für die Hamburger Heilpraktikerin Kathrin Bruun, nur so zum Beispiel, öffnet sich allein mit dem Gedanken an Lavendel eine ganze Kindheitserinnerungswelt. „Ich erinnere ich mich an die Blütenmischung in der Gästetoilette vom Café Lühmanns in Blankenese, die immer so herrlich und intensiv geduftet hat“, sagt sie, „und sofort denke ich an die Tomatensuppe mit Sahneklecks und Knoblauchbrot dort, Kerzenlicht und den warmen Tee. Ich denke an meine Oma und ihre Lieblingsseife von Yardley, ‚English Lavender’, die sie sich immer zu Weihnachten wünschte. Lavendel ist für mich heimelig, gemütlich, beruhigend und frei von Angst. Man könnte sagen: Mit Lavendel ist alles gut.“