Kaum ein Sport wird als so unsexy empfunden wie Tischtennis – was einen der begehrtesten männlichen Singles des Landes nicht daran hindert, die Sache trotzdem mit Begeisterung zu betreiben. Wir waren mit Sänger MAX GIESINGER an einer Platte auf einem Hinterhof im Hamburger Schanzenviertel, spielten eine Stunde lang ausdrücklich nicht um Punkte – und sprachen mit ihm über schädlichen Ehrgeiz, teures Material und therapeutische Ballwechsel
Vicoach: Max, du kommst aus Busenbach in der Nähe von Karlsruhe, ein kleines Örtchen mit um die 5.000 Einwohnern. Das aber beherbergte bis 2020 fast ein Vierteljahrhundert lang einen waschechten Bundesligisten.
Max Giesinger: Ja, die Tischtennistennisfrauen des TV Busenbach. Die waren ziemlich erfolgreich.
Und sogar einmal Deutscher Meister, 2005 war das. Auch du hast für den Verein an der Platte gestanden.
Stimmt. In der vierten Klasse habe ich ungefähr ein Jahr lang in der Jugendmannschaft trainiert. Ich hatte das mit dem Topspin auf der Vorhand nie so richtig hinbekommen, deshalb hat es gedauert, bis ich mein erstes Punktspiel machen durfte.
Und, wie war’s?
Beschissen. Ich habe gegen einen Gegner gespielt, dem ich eigentlich haushoch überlegen war. Aber ich habe ebenso haushoch verloren.
Huch. Wie kam das?
Ich habe mir einen irren Druck gemacht, habe gleich zu Beginn ein paar Bälle verhauen und dann komplett verkrampft. Tischtennis ist ein krasser Mentalsport, wenn da einmal der Wurm drin ist und das Handgelenk blockiert, dann war’s das.
Verstehe. Wie war dein zweites Spiel?
Das, äh, hat bis heute nicht stattgefunden. Ich habe direkt danach aufgehört, weil ich gemerkt habe, dass ich mit meinem selbstgemachten Druck nicht klarkomme. Schön blöd, ich hätte mal dranbleiben sollen. Oh, das ist aber nicht schlecht, was von dir hier an Spin ankommt.
Danke, deine Vorhand hat sich aber offenbar auch verbessert seit damals. Wie ging es denn weiter mit dir und dem Tischtennis?
Erst mal gar nicht. Hat bestimmt 13, 14 Jahre gedauert, bis ich mal wieder einen Schläger in die Hand genommen habe. Da lebte ich in Mannheim in einer WG mit Steffen Graef, der heute noch mit mir Musik macht, und mit Michael Schulte.

Noch so ein Popstar, den du bei „The Voice of Germany“ kennengelernt hast.
Ganz genau, wenn man mal davon absieht, dass wir damals nach keiner Definition Stars waren. Jedenfalls: Da gab es eine Tischtennisplatte auf einem Schulgelände bei uns in der Nähe, und Schulte und ich haben irgendwann angefangen, dort jeden Morgen von zehn bis elf zu zocken. Was die Kids da in ihren Pausen nicht so lustig fanden, ich musste das ein oder andere Machtwort sprechen, um ihnen klar zu machen, dass sie nicht mitspielen dürfen.
Die Armen. Aber in Mannheim hast du dein Spiel also auf ein anderes Level gehoben.
Ach, erstmal nicht. Das war nicht so gut wie unser Gezocke hier gerade, Schulte und ich haben seltsamerweise meist defensive Schnippelbälle gespielt. Aber ich habe etwas anderes an diesem Sport schätzen gelernt.
Und was?
Man kann so irre gut dabei quatschen. Schulte und ich hatten echte Therapiegespräche an der Platte. Lief bei uns beiden nämlich nicht so toll nach „The Voice“, und wir haben uns über unsere Rückhand-Slices hinweg darüber unterhalten, wie es so weitergehen soll mit uns und unseren Karrieren.
Aha. Therapeutisches Tischtennis.
Ganz genau! Du bist in einem Tunnel, nimmst nur noch dein Gegenüber und den Ball wahr, und irgendwie eignet sich diese Situation perfekt dafür, sich Gedanken zuzuspielen, die von ziemlich tief drinnen kommen. Oh, fieser Aufschlag!
Sorry, ist mir abgerutscht. Es gibt das Gerücht, dass eine deiner Popstarluxusanschaffungen ein ultrateurer Schläger gewesen sein soll.
Das ist schwer übertrieben. Der hat 70 Euro gekostet und hat einen Carbon-Griff. Das ist definitiv next Level gegenüber den 15-Euro-Kellen, die ich mir früher immer gegönnt habe. Aber nichts gegen diese Schläger, die man sich je nach Spielpräferenz und eigenem Können anfertigen lassen kann. Da ist man schnell mal bei 300 Euro.
Hast du jemals eine Platte besessen?
Nee. Aber ich habe meinem Vater und meinem Bruder eine geschenkt, die steht unten in Baden auf der Wiese im Garten. War natürlich reiner Eigennutz, ich wollte halt mit beiden spielen, wenn ich da bin. War am Ende aber ein klassisches Eigentor.
Wieso das?
Weil die beiden mittlerweile für Tischtennis brennen, ständig trainieren und jetzt viel besser sind als ich. Mein Vater haut mich immer gnadenlos weg. Das ist schlimm. Jetzt fürchte ich mich vor dem Tag, an dem mich auch mein kleiner Bruder schlägt.
Wenn wir jetzt hier um Punkte spielen würden, wäre das auch eine knappe Angelegenheit… Aber die Jungs in deiner Band hältst du noch in Schach, oder?
Natürlich, da brennt nichts an. Mein Keyboarder kommt mir noch am nächsten. Aber auch nicht sehr nah.
Vor Corona hast du bist zu 230 Konzerte im Jahr gespielt. Und ihr hattet immer auch eine Tischtennisplatte im Laster.
Stimmt. Früher noch eine kleine, als wir wenig Platz hatten, jetzt ist es eine richtige.
Und warum?
Weil es gut tut, den Kopf ein bisschen frei zu bekommen vor den Auftritten. Wenn du in einen Flow kommst, hat Tischtennis fast etwas Meditatives. Es ist auch ein gutes Aufwärmprogramm, bringt den Körper moderat in Wallung, es trainiert deine Stabilität und auf eine sanfte Art deine Kondition und mehr Muskelgruppen, als man im ersten Moment wahrnimmt. Kurz: Es ist ein perfektes Vorprogramm, wenn du danach vor ein paar Tausend Leuten auf die Bühne gehst.
Wo steht eure Platte jetzt?
In unserem Tourlager in Bottrop. Die verstaubt seit eineinhalb Jahren.
Wäre es bei all den Vorteilen, die dieser Sport zu bieten hat, nicht eine gute Idee, sie solange bei dir zu Hause aufzustellen?
Absolut. Aber meine Drei-Zimmer-Wohnung hier in Hamburg ist dafür viel zu klein. Wenn ich mich mal vergrößere, wäre so etwas aber eine Option. Ich müsste mich nur entscheiden: Flügel oder Tischtennisplatte?
Kleine Entscheidungshilfe für dich als sparsamen Badener: Die Platte ist deutlich günstiger.
Gutes Argument. Wichtiger ist aber folgendes: Ich spiele inzwischen Tennis, mache Yoga, habe letztes Jahr Surfen gelernt… Tischtennis ist trotzdem mein Lieblingssport. Macht Spaß, ist unaufwändig, voll kumpelgesprächskompatibel und hält fit, ohne einen umzubringen.
Aber machen wir uns nichts vor: Es ist der mutmaßlich unerotischste Sport der Welt.
Das stimmt. Tischtennis ist maximal unsexy, in den Hallen stehen auch bei Punktspielen keine Groupies neben den Platten. Aber irgendeinen Nachteil muss dieser Sport ja auch haben.
Danke für das Gespräch, Max. Letzter Ballwechsel?
Schon? Ich könnte das den ganzen Tag machen.
Ich nicht.
Schade. Na gut. Dann schlag auf.
Wer den Lieblingssport von Max Giesinger selbst betreiben möchte: Sehr amtliche Platten, sowohl Indoor als auch Outdoor, bekommt man auch hier: – und Schläger samt Bällen selbstverständlich auch.