Kann ja sein, dass es unter euch Leute gibt, die sich nach fünf Stunden Schlaf fit und frisch fühlen. Blöd nur: Eure Organe sind es nicht, sondern werden krank. Der Stoffwechsel in der Nacht ist für euer Leben wichtig. Überlebenswichtig!

Wenn du nachts wach liegst, dann ist es da.
Wenn du mal wieder nicht schlafen kannst, wirst du ihm nicht entkommen.
Wenn du wieder einmal die Nacht zum Tag gemacht hast und viel zu früh gähnend unter der Dusche stehst, dann sei dir sicher: Es hat in deinem Körper schon sein gieriges Handwerk erledigt.
Es wacht über dich, wenn du nicht schläfst.
Das Ghrelin.
Na? Haben wir Eure Aufmerksamkeit?
Sehr schön. Dann lasst uns gern ein bisschen wissenschaftlicher weitermachen. Neulich, bei unserem letzten Blogeintrag zu Stoffwechsel und Sport, haben wir euch im Groben mit der biochemischen Wirkweise bestimmter Enzyme und Hormone im Körper vertraut gemacht – und wie man sie mit Sport beeinflussen kann. Aber unser Stoffwechsel wird auch durch andere Faktoren in die ein oder andere Richtung geschubst. Und zu anderen Zeiten und Wachzuständen. Der Schlaf zum Beispiel hat einen enormen Einfluss darauf, ob du morgens Lust auf Müsli oder Nutella-Brötchen hast. Wie dick dein Bauch werden kann. Und ob du Typ 2-Diabetes bekommst. Aber zugegeben: Darüber entscheidet nicht dein Schlaf. Sondern eher der Mangel an ihm.
Begeben wir uns für die Beweisführung mal eben nach Amerika. Dort haben Wissenschaftler*innen kürzlich die jüngsten Daten des aktuellen National Health and Nutrition Examination Survey ausgewertet – eine regelmäßige nationale Studie zu Gesundheit und Essverhalten in den USA. Auch der Schlaf wird dort untersucht. Es kam heraus, dass Studien-Teilnehmer*innen, die höchstens vier Stunden pro Nacht schliefen, mit 73-prozentiger Wahrscheinlichkeit übergewichtiger waren als jene, die zwischen sieben und neun Stunden schliefen. Fünf Stunden durchschnittlicher Schlaf steigerten das Risiko für Übergewicht um 50 Prozent, sechs Stunden immerhin noch um 23 Prozent. Was schließen wir daraus – na gut, okay: die US-Wissenschaftler*innen? Ganz klar: Schlaf hat einen enormen Einfluss auf das Hormonsystem und das dann auf den nächtlichen Stoffwechsel. Er steuert den Regelkreis von Hunger und Sattsein.
Und hier kommen wir dann endlich zum Ghrelin, dem Horrorhomon von oben. Während sein Gegenspieler Leptin dem Körper das Gefühl von Sattheit vermittelt, steigert Ghrelin (heißt in Langform übrigens „Growth Hormone Release Inducing“, also soviel wie „Wachstumshormonfreisetzung einleitend“) als Gegenspieler Appetit und Verlangen nach Nahrung. Bei Menschen, die einigermaßen lang und gesund schlafen, bleibt die Produktion von Ghrelin auf einem vernünftigen Niveau, da liefert sich das Hormon mit dem Leptin einen freundlichen Schlagabtausch auf Augenhöhe. Und das Ghrelin kann sogar segenreich wirken – es steht nämlich im Verdacht, Depressionen aktiv vorzubeugen.
Aber wehe, man pennt unter sechseinhalb Stunden pro Nacht! Dann wird nicht nur das Stresshormon Cortisol aktiviert, sondern auch deutlich mehr, ja zu viel Ghrelin ausgeschüttet, der Leptinlevel dagegen sinkt. Die Glukosetoleranz des Körpers auch, kurz: der Zucker wird nicht mehr so verarbeitet, wie es sein sollte. Dazu kommt: Wer weniger schläft, hat mehr Zeit zu essen, und zwar nicht das gute Zeug, denn Ghrelin will schnelle Energie, will Zucker und Fett, will Chips und Kekse und keinen Salat, und da haben wir dann eben letzteren: Wer wenig schläft, wird öfter dick bis adipös und ein Risikopatient für Typ 2-Diabetes und Herzkreislauferkrankungen und den ganzen anderen Kram, den kein Mensch zum Überleben gebrauchen kann.
In Amerika wissen sie das inzwischen. Fettleibigkeit und Schlaflosigkeit sind da drüben ein anerkannt fatales Duo. Denn die Teufelsspirale zieht Betroffene ja immer weiter nach unten: Wer wenig schläft, wird dick und ist den ganzen Tag über müde, hat keine Lust auf Sport oder Bewegung, füllt die nicht im Fitnessstudio verbrachte Zeit mit Essen, wird noch dicker… und so weiter. Ihr versteht schon.
Was lernen wir daraus? Schlaf macht jetzt nicht zwingend schlank. Aber zumindest auch nicht dick. Und hat darüber hinaus noch einige andere positive Wirkungen in petto. Das Regulierungshormon Melatonin wird nachts und im Dunkeln gebildet, Wachstumshormone freigesetzt, die kleine Baustellen im Körper reparieren. Wir haben uns alle schließlich schon mal „gesund geschlafen“, oder? Und vergessen wir nicht: Auch Leptin wird im Schlaf gebildet. Dieses Dings, das dafür sorgt, dass wir keinen Hunger haben.
So, jetzt sollten wir euch genügend Stoffwechsel-Argumente dafür geliefert haben, rechtzeitig ins Bett zu gehen und lang genug drin zu bleiben. Lasst euch nicht bei etwas anderem erwischen. Big Ghrelin is watching you.